Gemeinde in Zeiten von Corona

An dem Donnerstag, kurz vor dem Wochenende als das ganze Corona-Chaos in Deutschland startete, wollte ich morgens noch auf Konfifreizeit fahren. Telefonat mit dem Kirchenkreis, mit der Landeskirche, mit Kolleginnen und Kollegen, Abwägen und Bedenken und Beraten um die Reise dann schließlich tatsächlich abzusagen. Wir waren die ersten, die storniert haben. Alle anderen, die in der Jugendherberge angemeldet waren, sagten später ebenfalls ab.

Am Sonnabend vor dem ersten Sonntag in Corona-Zeiten dachte ich bis 20 Uhr, dass am nächsten Tag Gottesdienst würde stattfinden können. Wieder las ich im Minutentakt die Nachrichten, telefonierte, suchte das Gespräch, las erneut und schon eine Stunde später stand fest, dass wir doch nicht zum Gottesdienst zusammenkommen würden, aus guten Gründen. Auch nicht zu Gesprächskreisen, Geburtstagskaffees oder zu Andachten in der Kita, zur Konfizeit oder zur Jungen Gemeinde.

Seitdem ist alles wie in Zeitraffer passiert. Hilfsteams und Think Tanks wurden gegründet. Und meine Gedanken sind pausenlos damit beschäftigt, wie Gemeinde auch jetzt tragen und verbinden kann, trotz social distancing.

Zu Beginn der Krise dachte ich noch, ich könnte die Zeit zuhause etwas nutzen zum Lesen und Nachdenken und vielleicht zum Vorbereiten von Stoff für die Konfis oder so. Oder um Friedi zu besuchen oder Rahel. An Ostern wollten Katharina und Christian und die Kinder kommen, wir hatten uns schon mega gefreut. Naja, erstens kommt es anders und zweitens… Tatsächlich bin ich seit jenem Donnerstag wie auf Strom, ständig in Kontakt und Austausch mit dem Presbyterium, mit Gemeindeleuten und Freundinnen und Freunden, aber dabei eben auch sehr viel zuhause und ohne wirklichen, „normalen“ Kontakt.

Social distancing ist wichtig und richtig, es ist trotzdem eine miese Kiste. Ich habe das Gefühl, es wirft einen ungnädig und hart auf sich selbst und die eigenen Lebensthemen zurück. Als wäre es nicht schon schlimm genug, plötzlich in einer Welt im Krisenzustand zu leben, sich Sorgen zu machen um die Lieben, um Freunde, um die Gemeinde. Nie hätte ich gedacht, dass ich so etwas einmal erleben würde. Ich erlebe gerade auch viel Schönes (endlich wagt sich die Gemeinde ins Digitale, es ist sehr spannend und macht Spaß !), sicher, auch das. Aber aus der Entfernung fühlt es sich anders an. Letztens las ich von einem Priester, der seine Gemeinde hat Selfies machen lassen und die dann im Kirchrraum aufgestellt hat, um dieses Gefühl von Gegenwart in der Kirche wieder zu haben. Mich hat das zu Tränen gerührt. Weil ich meine, sein Gefühl zu teilen. Die Gemeinde fehlt mir.

Abends gibt es hier ein gemeinsames Gebet (jeweils von zuhause aus), die Glocken läuten, Kerzen werden entzündet und Texte gelesen, es wird gesungen. Zwei Mal habe ich einen Livestream geschaltet. Beim ersten Mal schaute einer zu. Gestern waren es schon fünf. Heute sollte unser Diakon übernehmen und hat es nicht geschafft. Eine Frau aus der Gemeinde schrieb mich darauf hin an, ob sie den link verpasst habe, weil sie heute wieder mitbeten wollte. Sie stelle sich extra einen Timer, weil sie dabei sein wolle. Ich war gerührt und beglückt. Morgen streame ich wieder. Und sie wird dabei sein. Beten hilft. Auch und gerade jetzt.


3 Antworten zu “Gemeinde in Zeiten von Corona”

  1. Huh, Livestream – das wage ich nicht. Ich habe 12 Stunden gebraucht, um 23 Minuten Video hochzuladen, da kann ich mir nicht vorstellen, daß ein Livestream funktioniert.

    Ich wünsche viel Segen, und Zuversicht.

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  2. Liebe Frau Pfarrerin,
    ja, das habe ich mich auch gefragt, wie es Ihnen so geht… Hoffentlich machen Sie nur eine kleine Verschnaufpause von all den Online-Meetings und Online-Angeboten. Ich würde mich auf jeden Fall freuen, wieder von Ihnen zu lesen. Wann auch immer das ist.
    Be blessed,
    I

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