Der ehemalige Vikar ruft an und erzählt wie es ihm geht. Er klingt müde und auch etwas genervt. Ich dachte, im Sommer wäre weniger los! Das sagen doch immer alle! Ich weise ihn darauf hin, dass sich diese Ansage ziemlich sicher allein auf die Sommerferien bezieht und jetzt überall viel anliegt: Sommerfeste, Konzerte, Busausflüge, Konfirmationen, Taufen, Hochzeiten, Kita-Feste…
Der frisch gebackene Pfarrer und ich haben bis zu diesem Zeitpunkt schon seit Tagen versucht, uns zu erreichen. Wir mögen uns, eine richtige Freundschaft ist entstanden. Ich ahne, wie es ihm geht. Gleichzeitig bin ich selbst recht müde und erschöpft, aber auch aus schönen Gründen.
Am Pfingstmontag bin ich Patin geworden von einem kleinen Mädchen. Ein großes Geschenk in vielerlei Hinsicht. Der Gottesdienst zur Taufe war berührend und schwungvoll, in einer großen, schön sanierten Kirche (Licht! Tontechnik! Eine Kinderecke! Ein installierter Beamer in der perfekten Größe! Menno. ). Die Kleine wurde von ihrem Großvater getauft – schön war das, liebevoll und vertraut und stimmig. Ihre Eltern sind auch im Pfarrdienst, wir haben teilweise gemeinsame Freund:innen aus Studienzeiten, es war ein bisschen wie Klassentreffen, aber entspannter.
Sogar so entspannt, dass ich erst abends beim Einsteigen in den Zug bemerkte, wie heiß und rot mein Gesicht im Laufe des Nachmittags geworden war. Gartenparty bei 20 Grad, Hängematte, Hüpfburg (wie anstrengend das schon nach 5 Minuten wird!) kühle Getränke, gute Unterhaltungen, Sonne unterschätzt, zack! – fieser Sonnenbrand für drei Tage und große Matschigkeit. Ich hatte das Gefühl, im Dunkeln leuchten zu können.
Ende April schon durfte ich bei einer anderen Taufe im Freundeskreis zu Gast sein, auch das war eine wohltuende Unterbrechung im Gemeindetrubel. Wie ich es genieße, im Gottesdienst einfach mal nix zu machen! Ein bisschen hören, singen, beten, ein paar Bilder machen (diskret, versteht sich), mit dem Täufling flirten. Herrlich. Mit der Mutter der Kleinen bin ich seit dem 2. Semester eng befreundet, ich kenne ihre Eltern, ihre Schwester, ihre Familie und sie kennen mich. Vom Gemeindepraktikum. Vom Besuch kurz nach Weihnachten. Von irgendwelchen Umzügen und Familienfeiern. Ihre Mutter sagt zur Begrüßung: Du bist ja grau geworden! Aber steht dir. Du lässt das so, oder? Dass meine Freundin und ihr Mann letztes Jahr Eltern geworden freut mich aus tiefstem Herzen. Dass ihr Töchterchen und ich uns gut verstehen, ebenso.
Wenn zwischendurch Zeit ist staune ich, wie viel Leben wir miteinander teilen. Wie viele Familiengeschichten, wie viel Freude und Trauer und Sorge und Dankbarkeit. Wie viel müde Telefonate und gemeinsames, genervtes Aufregen. Wieviel Vertrauen. Ich bin froh, dass es so ist. Und dass diese (und auch andere) Beziehungen wachsen und halten, dass sie tragen. Ohne sie wäre ich nicht hier, nicht so. Nächstes Jahr werde ich 40. Wahrscheinlich werde ich groß bei uns im Kirchgarten feiern. Das wird ein Fest.