Sonntag, 06. Oktober 2019 gegen 11 Uhr:
Eine kleine Gruppe findet sich zum Kaffee nach dem Gottesdienst zusammen. Dabei sind Mitglieder des Presbyteriums und Partnerinnen, zwei Seniorinnen und ein Pfarrehepaar (im Ruhestand). Wir wärmen uns auf und reden über die nächsten Konzerte und Gemeindeveranstaltungen. Ich bin seit einer Woche ziemlich erkältet und froh, dass ich während des Dienstes meine Stimme nicht verloren habe und freue mich auf eine warme Suppe zuhause. Unvermittelt geht es los.
Einer: Also,um nochmal auf deine Predigt zurück zu kommen, wegen Greta Thunberg. Ich finde es völlig übertrieben, wie sie dargestellt wird. So als Heilige Schwedens! Das ist doch total überzogen.
Eine: Sie hat doch auch dieses Buch geschrieben mit dem Titel „Ich will, dass ihr Panik habt.“
Eine: Wer kann schon sagen, ob nicht ihre Eltern eigentlich dahinter stecken?
Eine: Hat sie nicht auch diese Krankheit? Diese Form von Autismus“
Ich: Sie hat Asperger und geht damit auch offen um. Aber lieber „Einer“, dir ist schon aufgefallen, dass ich sie nicht als Heilige bezeichnet habe, oder? Mr ging es in der Predigt um etwas anderes.
Er: Mich stört einfach, dass sie so allgemeine Aussagen macht und solche Vorwürfe in den Raum stellt. Sie hat doch gar kein politisches Konzept.
Ich: Sie ist 16. Und sollten nicht eher wir gemeinsam mit der Politik so ein Konzept erarbeiten? Das kann doch nicht die Aufgabe der Kinder sein!
Eine zischt: Ich hasse dieses Mädchen, sie ist einfach völlig unmöglich (verschwindet dann in der Küche um Abzuwaschen).
Eine: Und der Klimawandel, wer weiß, ob der nicht sowieso gekommen wäre, nur vielleicht nicht so schnell?
Einer: Liebe Eine, dass der Klimewandel menschenverschuldet ist, ist ja wohl eine Tatsache. Aber wir brauchen ein politisches Konzept um etwas tun zu können.
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Etwas später auf dem Heimweg. Das Pfarrehepaar und ich reden noch einmal über den Gottesdienst, die Gesprächsrunde und meine Predigt. Ich bin mitgenommen und durchgerüttelt von den Reaktionen. In der Gemeinde gibt es auch Menschen, die ganz anders denken, doch die waren heute nicht da.
Ich: Mich erschrecken solche Reaktionen wie eben gerade. Puh.
Er: Aber es ist doch gut, wenn du so sprichst und predigst. Du willst ja gerade diese Leute erreichen.
Ich: Es ist schon ein deutliches Anecken. Warum haben die sich an dem Greta-Thema so aufgezogen? Darum ging es doch gar nicht vordergründig.
Sie: Wolltest du nicht sagen, dass wir uns für die Kinder für die Zukunft einsetzen müssen?
Ich: Ja genau.
Sie: Es geht um Verantwortung und Teilen. Du meintest ja auch, Greta hat etwas Prophetisches an sich. Ich habe darüber nachgedacht und glaube, das stimmt auch. Prophetinnn und Propheten im Alten Testament haben ja auch laut gesprochen und Aufmerksamkeit bekommen und haben Anstoß erregt.
Er: Irgendwas war heute auch anders mit deiner Predigt als sonst. Sonst kann ich dir so gut folgen, es ist bilderreich. Aber den Mittelteil habe ich überhaupt nicht richtig wahrgenommen. Und am Ende war es dann für mich auch kurz. Hast du es vielleicht zu stark durchdacht?
Ich (zunehmend bedrückt): Hm, ich hatte ein ganz anderes Gefühl beim Schreiben…
Sie: Aber die Lieder waren sehr schön! Und sie haben gut gepasst zur Predigt und dem Thema des Gottesdienstes.